Eine Auszeit auf dem Golfplatz hilft in Krisenzeiten, sich den Therapeuten zu sparen!

Renate Rauh im Interview:

Renate Rauh ist Golferin aus Leidenschaft! Suchende und Entdeckerin zugleich. Als Expertin, Managementtrainerin und Coach für die Themen Auszeiten, Balancefindung und Verbesserungsprozesse beschreibt sie aufgrund durchlebter Erfahrungen, wie individuelle Krisen und Herausforderungen gemeistert werden können. Soviel vorab: Golf kann bei dieser Bewältigung helfen.


Bevor wir darauf eingehen, wie der Golf Sport bei der Krisenbewältigung helfen kann, wollen wir zunächst mehr über Dich erfahren. Wann und vor allem wie bist Du zum Golfsport gekommen, Renate?

Vor einigen Jahren hatte ich das Vergnügen, einen Bekannten in den Royal Golf Club Marienbad, in Tschechien zu begleiten. Ein herrliches Fleckchen Erde mit altem Baumbestand. Als ich die ersten Golfschläge in dieser wunderbar naturbelassenen Umgebung machte, war es um mich geschehen und ich wusste, das wird mein neues Hobby.

Gleich danach habe ich meinen bereits gebuchten Wanderurlaub am Tristacher See in einen Platzreifeurlaub umgewandelt und seither spiele ich aktiv Golf.

Diese neu entdeckte Leidenschaft für den Sport und die positiven Auswirkungen, die er auf mein Wohlbefinden hat, wollte ich direkt mit anderen teilen. So entstand die Idee, meine Seminare & meine Vorträge mit dem Golfspielen zu verknüpfen. Zugunsten der Lufthansa Help Alliance organisierte ich zwei Golfturniere mit über 120 Spieler:innen und setzte somit die Idee in die Tat um. Die Turniere starteten samstagmorgens mit meinem Seminar & waren ein echtes Highlight im Turnierkalender, da so viel Herzblut in ihnen steckte. Mit viel Liebe zum Detail stellte ich die Flights zusammen, organisierte ein spannendes Rahmenprogramm & tolle Preise für die Tombola. Denn wenn man etwas anfängt, muss man es auch richtig machen 😉.

Wow. Wie schön, wenn sich eines zum anderen fügt und man merkt, das ist mein Sport, er tut mir gut. Wie würdest Du Deine Auszeit auf dem Golfplatz denn beschreiben? Welches Gefühl löst das Golfspielen bei Dir aus?

Dieses Gefühl von Frieden, Freiheit und nur für mich zu spielen. Ich muss mich nicht beweisen oder eine Erwartung erfüllen, sondern habe einfach nur Spaß. Vor kurzem hatte ich im Golfpark Bachgrund an Loch 2 des Happy Luck Platzes ein Hole-in-one und keiner war dabei oder hat es gesehen, außer vielleicht ein paar Wildgänse ;-). Dennoch war ich einfach nur glücklich. Golfen gibt mir Selbstbewusstsein und zeigt mir, wie meine Verfassung und mein Gemütszustand sind. Auch wenn ich genervt bin, komme ich spätestens an Loch 3 in die Balance, all das andere ist nicht mehr präsent und ich bin einfach bei mir.

Die Beschreibung, „ganz bei sich zu sein, seine eigene Balance zu finden“, passt zu Deiner Aussage “Golfen ist Antidepressiva pur und besser als jede Psychiatrie“. Eine spannende These, schließlich würden die meisten das Golfspielen als Sport, Bewegung in der Natur oder Freizeitspaß beschreiben. Erzähl‘ uns mehr über die Hintergründe Deiner Aussage.

Bist du an einem Tiefpunkt deines Lebens angekommen, gilt es einen Weg heraus zu finden. Hierbei gibt es allerlei Therapieformen. Mit Tabletten allerdings wird man ruhiggestellt, dumpf gemacht. Sie behandeln nicht die Ursache des Problems. Die Tabletten suggerieren „Besserung“, führen manchmal durch Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Trägheit zu noch mehr Problemen. Aus einem Problem werden plötzlich mehrere. Gleichzeitig soll man sich neu erfinden, wieder das Gute sehen. Wie soll das gehen? Kreativität braucht einen klaren Geist und positive Erlebnisse, die Glücksgefühle auslösen.

Auch in einer Psychiatrie kreist man immer um dasselbe Problem, ist zusätzlich mit den Problemen anderer konfrontiert, hat zu wenig Bewegung und in der Regel fehlt der ganzheitliche Ansatz bzw. die persönliche Anleitung, aus dem Tief dauerhaft heraus zu kommen.

Ich vergleiche das gerne mit dem Bunkerspiel im Golfsport: wenn du immer den gleichen Fehler machst und an der Grasnarbe hängen bleibst, kannst du den gesamten Bunker bis zum Kies umgraben und der Ball landet immer noch nicht auf dem Fairway. D.h., ohne das Bewusstsein & den Willen die Technik zu korrigieren, dauerhaft etwas zu ändern wird das Ergebnis immer das Gleiche sein: Du hast auf dem Kopf genug Sand für das nächste Peeling gesammelt, bist gefrustet und kein Stück weiter. Du weißt dann zwar, was unter dem Sand ist, doch der Ball liegt immer noch nicht auf der grünen Startbahn, bereit für den nächsten Schlag.

Um besser zu werden, sich besser zu fühlen brauchen wir Erfolgserlebnisse und das Gefühl, wieder im Spiel bzw. Rennen zu sein, anstatt abgeschoben und ruhig gestellt zu werden.  Also die richtige Umgebung mit positiven Menschen & Erlebnissen. Wo wir beim Golfsport wären. Er verbindet dich mit dir selbst und schafft positive Erlebnisse im eigenen Leben. Deshalb die Aussage, „Golfen ist Antidepressiva pur und besser als jede Psychiatrie“ Denn:

  • Du bewegst dich an der frischen Luft
  • Du synchronisierst deine beiden Gehirnhälften und kommst in eine Balance
  • Du konzentrierst dich auf das Fairway, das Grün und die Bunker und vergisst die belastenden Themen
  • Du kommst auf andere Gedanken
  • Du bist unter Gleichgesinnten
  • Du hast ein Ziel vor Augen
  • Du schüttest Glückshormone aus
  • Du hast keinen Gegner, sondern spielst mit dir selbst

Das Golfen kann also weit mehr als „nur“ ein Freizeitspaß oder Bewegung an der frischen Luft sein. Das schöne ist, egal aus welchen Gründen jemand Golf spielt, die Liebe zum Spiel verbindet uns alle.

Du hast gerade 8 unterschiedliche Gründe für die Faszination Golf genannt und auch die positiven Auswirkungen, die der Sport auf unsere mentale sowie körperliche Gesundheit hat. Wenn Du jetzt Deine Top 3 nennen müsstest, welche wären es & warum?

Als erstes würde ich wohl die Synchronisation der Gehirnhälften nennen. Denn das Gleichgewicht aus rationalem Denken und emotionalem Handeln ist ein entscheidender Punkt, um die innere Balance zu finden. Das Golfen beansprucht beide Seiten gleichmaßen:

  • Die linke Hälfte ist für das rationale Denken zuständig. Auf den Golfsport bezogen bedeutet das, sie übernimmt die Überlegung, welches Eisen oder Holz geschlagen wird, wie weit die Entfernung bis zur Fahne ist usw.
  • Die rechte Gehirnhälfte ist eher intuitiv und emotional, d.h., sie visualisiert vor unserem bildlichen Auge wie der Schlag ablaufen wird und sorgt dafür, dass wir mit dieser Emotion an den Schlag herangehen.  

Platz zwei belegt die Konzentration auf das Spiel. Denn beim Golfen ist man im Moment, ohne Ablenkung, ohne Gedankenkarussell. Nur der Platz und man selbst. Die belastenden, stressigen Themen sind nicht präsent. Körper & Geist entspannen. Unter anderem ist dies so, da unser Gehirn auf Gerüche, Farben und Impulse reagiert.

  • Es ist bekannt, dass die Farbe Grün ein Impuls für Heilung und Gesundheit ist. Daher wirken sich Waldspaziergänge, ausgedehnte Golfrunden, Streifzüge durch die Natur nicht nur wegen der frischen Luft und der Bewegung positiv auf unsere Gesundheit aus, sondern auch wegen der Reize, die die grüne Natur in unserem Gehirn auslöst.
  • Die vielen blauen Wasserflächen, wiederum wirken ausgleichend und beruhigend auf uns.
  • Die Ordnung der Golfbahnen bringt Struktur in unsere Gedanken. Denn  jede:r Spieler:in weißt genau, wie eine Golfbahn aufgebaut ist. Durch die damit einhergehende Ausrichtung des Körpers und die Konzentration auf das Ziel, kommt die Energie im Körper in Fluss und Blockaden lösen sich.

Und Nummer drei meiner Favoriten ist wohl die Ausschüttung von Glückshormonen: Bei jedem guten Schlag setzt der Körper Glückshormone frei und hebt die Laune.

Danke für diesen tollen Einblick. Es ist also immer eine gute Idee eine Runde Golf spielen zu gehen, wenn der Tag mal nicht so gut verläuft um ein paar Glückshormone auszuschütten.

Die Golfetikette, also die Verhaltensrichtlinien gegenüber unseren Mitspielenden, ist ein wichtiger Bestandteil des Golfens. Letztlich gewährleistet die Etikette das wohlwollende Miteinander und die Sicherheit auf dem Platz. Weshalb ist Dir die Beachtung der Golfetikette wichtig?

Es gibt bei der Golfetikette sicherlich sinnige Regeln, die die Sicherheit im Spiel gewährleisten. Allerdings sollten wir auch ab und an fünfe grade sein lassen und uns bewusst machen, weswegen wir auf dem Golfplatz sind. Ich behaupte mal, dass die meisten einfach nur eine schöne Zeit mit ihren Flightpartner:innen verbringen möchten. Deshalb würde ich mir mehr Toleranz und Freundlichkeit im Umgang miteinander wünschen. Die Verwendung der Worte bitte & danke sowie eine freundliche Begrüßung untereinander sollten die Regel und keine Seltenheit sein. Läuft mal etwas nicht so rund, hilft Nachsicht & Verständnis mehr als Ungeduld & Eskalation. Denn wir alle haben einmal mit dem Golfspielen angefangen, sind etwas langsamer über den Platz gegangen oder waren uns unsicher, wie wir in einer Situation agieren sollen.

Außerdem wirken sich negative Energie schnell auf das ganze Umfeld aus. Hat man bspw. einen Flightpartner dabei, der ständig schimpft über einen nicht gelungenen Schlag, den Zustand des Platzes, Regelverstöße etc., kann es passieren, dass der gesamte Flight nachlässt, weil sich die Schwingung überträgt. Daher spiele ich am liebsten mit gechillten Spieler:innen, die sich selbst und auch das Spiel nicht zu ernst nehmen, sondern so wie es kommt.

Das würden wir uns auch wünschen. Hat sich Deiner Meinung nach dem Umgang miteinander im Golfsport in letzter Zeit verändert?

Der rüde Umgang in der Gesellschaft, ob im Supermarkt, im Straßenverkehr oder im Restaurant ist nun leider auch auf dem Golfplatz angekommen. Glücklicherweise gibt es am eCart und an den Trolleys bisher keine Hupen.

Als ich begonnen habe im Golfpark Bachgrund zu spielen, hat sich fast jeder mit einem Lächeln begrüßt, wir haben uns oft nach dem Spiel zusammengesetzt und gelacht. Heute kommt es vor, dass Personen wie von der Tarantel gestochen vom Platz nach Hause rasen oder sich so verhalten als ob ihnen das Gelände gehört und man unbefugt in ihr Revier eindringt.

Ja, ich würde mir wirklich wieder einen positiven Umgang miteinander wünschen. Ein Lächeln oder ein freundliches Wort können manchmal Welten bewirken.

Aus der Sicht einer Expertin: Was sind mögliche Gründe für diese Verschlechterung? Gibt es ggf. Parallelen zu anderen gesellschaftlichen Lebensbereichen?

Ja, die gibt es: ich reise sehr viel und auch hier ist mir aufgefallen, dass viele Menschen eher die negativen Aspekte des Lebens sehen, statt die positiven. Sie meckern bspw. über die fehlende Butter beim Frühstücksbuffet, beschweren sich über mangelnde Sauberkeit, die Liegen und vieles mehr, anstatt sich an der Schönheit des Landes zu erfreuen, die Herzlichkeit der Menschen aufzunehmen und Neues unvoreingenommen kennenzulernen.

Die Gereiztheit, der Egoismus und der Druck in Deutschland spiegelt sich wie gesagt auch auf dem Golfplatz wider. Ich habe den Eindruck, dass den Menschen die Empathie mehr und mehr verloren geht und sie langsam verlernen, auf den anderen liebevoll oder wohlwollend zuzugehen.

Wie gehst Du mit heiklen Situationen im zwischenmenschlichen Bereich auf dem Platz um & was würdest Du Dir von Deinen Mitmenschen wünschen?

Ich spreche es an und versuche wieder Ruhe in den Flight zu bringen, indem ich relaxt weiterspiele. Es geht doch um nichts. Wenn es mir dann doch mal zu viel wird, bringe ich das deutlich zum Ausdruck und bitte darum, die Negativität abzustellen. Interessanterweise ändert sich dann die Situation recht schnell. Ich habe es mir abgewöhnt, an der Rezeption etwas zu sagen, sondern finde andere Wege, heikle Situationen direkt vor Ort und in der Situation zu lösen, die konstruktiver sind. Auch das Schreiben von Büchern & Reportagen, das Halten von Vorträgen ist ein Weg für mich, mit heiklen Situationen umzugehen und Wege hinaus aufzuzeigen. Denn Menschen mögen keine Kritik und gehen in der Regel auf Abwehr. Also sollten wir positive Wege im Umgang miteinander finden.

Auf den Punkt gebracht: Was ist Deine Empfehlung für ein möglichst harmonisches Miteinander auf dem Golfplatz?

Golf als Spiel zu sehen. Als Möglichkeit, ein paar schöne Stunden in einer unglaublich tollen Umgebung zu genießen und sich über die kleinen Erfolge freuen.

Das sehen wir ganz genauso. Du promotest gerade Dein neues Buch „Wenn Du durch die Hölle musst, dann doch bitte mit Lackschuhen“. Auch hier ist es Dein Anliegen, mit Deinen Erfahrungen die Herzen der Menschen zu berühren und aufzuzeigen, wie falsche Denk- und Verhaltensmuster einen komplett aus der Umlaufbahn katapultieren können. Aber vor allem schaffst Du es, den Menschen durch Deine Texte eine Vision zu geben, wie sie sich befreien und ihre Bestimmung leben können.

Wie bist Du zum Schreiben gekommen? Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Dich bewogen hat, Deine Erfahrungen mit anderen zu teilen?

Ich denke es war ein Prozess aus vielen unterschiedlichen Ereignissen, die mich zum Schreiben bewogen haben: Immer wenn ich im Leben nicht weitergekommen bin, habe ich mir eine Auszeit genommen, um eine andere Perspektive zu bekommen und so eine Lösung zu finden, ans Ziel zu kommen. In diesem Zuge habe ich diverse Ausbildungen absolviert und Zertifikate erlangt, die mich sukzessive ein Stück weitergebracht haben & zu der Frau machen, die ich heute bin.

Wenn ich ein Schlüsselerlebnis nennen müsste wäre es wohl der Punkt, an dem ich hingefallen bin, weil ich dazugehören und anerkannt werden wollte. Dabei habe ich mich selbst verloren. Erst als ich erkannte, worauf es tatsächlich ankommt & was mich wirklich auszeichnet habe ich begonnen, ohne Wenn und Aber, authentisch zu leben.

Sodass ich am Ende à la Frank Sinatra sagen kann „I did it my way“.

Danke, dass ich die Möglichkeit erhalte, meine Eindrücke zu teilen.

Vielen Dank Renate, dass Du Deine Eindrücke mit uns geteilt hast. Es war ein sehr spannendes Interview.

Autorin: Myriel Weiland, GOLF absolute Redakteurin

Interview-Partnerin: Renate Rauh, Managementtrainerin & Coach

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