Es dauert nicht mehr lange, bis der Frühling vor der Tür steht. Dann lockt es viele Golfspielende wieder regelmäßig auf den Platz. Doch mit der neuen Saison können auch Erwartungsdruck und Stress verbunden sein, gerade für diejenigen, die im Winter gar nicht oder nur selten gespielt haben. Um das Golfspiel stressfrei zu gestalten, können konkrete Gedanken helfen – wir stellen einige vor.
Schritt 1 – Reflexion: Wie denken und bewerten wir?
„Nicht die Dinge selbst, sondern unsere Meinungen über die Dinge beunruhigen uns.“ – Dieser kluge Gedanke wurde vor rund 1800 Jahren von dem Stoiker Epiktet formuliert. Und wie so oft behalten die Philosophen der Antike Recht. Auch in der Psychologie ist das Phänomen bekannt. So prägt die Art, wie wir denken, und wie wir Umstände, Ereignisse oder uns selbst bewerten unsere Gefühlswelt, und diese wiederum befördert bestimmte weitere Gedanken. Folglich beeinflusst, wie wir denken, urteilen und schlussfolgern – ja, unsere Weltsicht im Allgemeinen – unser Fühlen und Handeln, man könnte also auch sagen, unser Leben.
Neigen wir zum Beispiel oft zu Selbstkritik, können emotionale Abwärtsspiralen entstehen. Das kann sich in allen Lebensbereichen auswirken – privat, beruflich, doch auch bei Hobbies wie dem Golfspielen. Gehen wir etwa mit dem Gedanken auf den Golfplatz „Hoffentlich versaue ich es nicht wieder“ – dann hat sich schon eine selbstkritische Haltung mit Erwartungsdruck aufgebaut. Wird diese Haltung dann durch von uns als „mies“ bewertete Schläge bestätigt, folgen weitere negative Gefühle, Stress und vielleicht sogar Angst vor weiteren Fehlschlägen.
Der erste wichtige Schritt, um hier anzusetzen und die Gedanken ins Positive zu wenden, ist – wie viele Psychologen bestätigen würden – die Reflexion über das eigene Denken und Fühlen. Das ist auch für das Golfspiel anwendbar: Wie denke ich eigentlich über mich und mein Spiel, wenn ich auf dem Platz bin?
Folgende Punkte lohnt es sich dabei zu überprüfen:
- Wie kritisch beurteile ich mein Golfspiel?
- Neige ich eher zu optimistischen oder pessimistischen Gedanken?
- Kann ich mir „schlechte“ Schläge verzeihen oder sogar darüber schmunzeln?
- Verfange ich mich in Selbstkritik und Vorwürfen?
- Katastrophisiere ich meine Spielergebnisse?
- Empfinde ich häufig Wut oder Frustration?
- Generalisiere ich, indem ich nach einem Schlag mein ganzes Spiel schlechtrede?
Schritt 2 – Reframing: Die Dinge in einem anderen Licht sehen
Der erste Schritt der Reflexion bewirkt damit, die eigenen negativen Gedanken aufzudecken. Das ist wichtig, weil negative Gedanken und Gefühle ein bedeutender mentaler Faktor im Golfsport sind. Denn sie steigern vor allem eins: das Stressempfinden. Beurteilen wir uns häufig schlecht und können uns keine Fehler zugestehen, erzeugt das Stress und Frustration. Werden daraufhin unsere Schläge „noch schlechter“, können noch härtere Selbstvorwürfe und Wut folgen. Schon befindet man sich in einer mentalen und emotionalen Abwärtsspirale, aus der es kaum noch ein Entkommen gibt.
Hat man aber seine negativen Gedanken durch Reflexion erstmal „enttarnt“, kann Schritt zwei folgen: das sogenannte Reframing. Das bedeutet, eine Sache oder ein Ereignis bewusst in einem anderen Licht zu betrachten und sie anders zu beurteilen, als man es eigentlich tun würde. Dies kann zu komplett neuen Sichtweisen und Empfindungen führen. Stress auf dem Golfplatz als Folgeerscheinung von negativen Gedanken wird damit verhindert – oder zumindest minimiert. So entsteht mehr Raum für Spaß, Spielfreude und Lockerheit.
Folgende Gedanken und Mindsets können ganz konkret beim „Reframing“ helfen.
Gedanken für das stressfreie Golfspiel
GEDANKE 1:
„Ich bin gespannt, wie es heute wird.“
Spürt man bereits vor dem Spiel Druck oder Stress, kann es helfen, diese Anspannung zwar bewusst wahrzunehmen, sie aber nicht negativ zu bewerten – sondern als „positive Aufregung“ zu „reframen“. Anstatt den Druck zu spüren und zu denken, „Hoffentlich versage ich heute nicht“, kann man die Anspannung zum Beispiel als Neugier einordnen. So lässt sich die kommende Runde ergebnisoffen betrachten, etwa mit dem Gedanken: „Ich bin gespannt, wie es heute wird!“ So befreien wir uns auch von einer zu konkreten Zielvorstellung und vom Leistungsdruck. Ja, wir alle lieben unser Hobby – aber genau das ist das Golfspiel für die meisten auch. Niemand muss zwingend eine Top-Leistung vollbringen. Damit die Freude am Golfen erhalten bleibt, kann also ein Mindset der Neugier und Offenheit – gerade nach der Winterpause – Wunder bewirken und Stress auflösen.
GEDANKE 2
„Das war gar nicht schlecht.“
Der erste Abschlag ist direkt ein Slice, und die Bälle auf dem Grün rollen nicht wie beabsichtigt? Dann hilft es, nicht gleich in Panik oder Selbstkritik zu verfallen. Weder hat man im Winter „alles verlernt“, noch „klappt gar nichts“. Solche Generalisierungen gilt es zu vermeiden. Nach nicht optimalen Ergebnissen hilft auch hier ein Reframing und vor allem eine selbstverzeihende Haltung. Ein „Das war gar nicht schlecht“ – auch bei einem „mittelmäßigen“ Ergebnis – fühlt sich gleich wohlwollender an. Man gesteht sich Fehler zu und erkennt das eigene Verbesserungspotenzial an. Solche „milden“ Werturteile sind gerade nach der Winterpause wichtig, um nicht in Stress zu verfallen. Helfen kann auch, ein „Beginner-Mindset“ zu umarmen: „Für mich ist das jetzt der Start in eine neue Saison, alles darf erst mal so sein, wie es ist.“ Eine solche Haltung erzeugt keinen Druck, sondern lässt Raum für die kommenden Leistungen, die sich noch weiterentwickeln können.
GEDANKE 3
„Ich muss nicht mit dem Driver abschlagen.“
Beim Abschlag empfinden viele Golfspielende den größten Stress. Das liegt vor allem am Leistungsdruck und der Absicht, „möglichst weit“ schlagen zu wollen – und das mit dem für viele Spielende herausforderndsten Schläger, dem Driver. Doch auch hier gibt es Mittel, um das Stressempfinden zu senken. Sind zum Beispiel mehrere Abschläge mit dem Driver nicht gelungen, hilft der Gedanke: „Ich muss nicht mit dem Driver abschlagen, wenn es heute nicht klappt. Ich nehme lieber meinen Wohlfühlschläger.“ Diese Entscheidung ist eine mentale Entlastung und nimmt Rücksicht auf die eigene Tagesform. Auch der Zwang, mit dem Driver „besonders weit“ kommen zu „müssen“, darf abgelegt werden. „Mit welchem Schläger möchte ich jetzt dieses Loch ohne Stress beginnen?“ wäre eine entspanntere Herangehensweise, die den Druck rausnimmt. So kann man für den Abschlag auch auf ein Eisen, Holz oder Hybrid zurückgreifen, wenn man sich damit wohler fühlt. Schafft man dann einen sauberen Schlag, hat man eine Win-Win-Situation erreicht – für das Ergebnis und die eigene Psyche.
GEDANKE 4
„Der nächste Schlag verdient meine volle Aufmerksamkeit.“
Es kann gut sein, dass gerade nach der Winterpause mehrere Schläge erst mal nicht gelingen, nicht nur die Abschläge, sondern auch Chips und Putts. Schließlich braucht man ein wenig Zeit, um wieder in das Körpergefühl und die Technik hineinzufinden. Anstatt also das gesamte eigene Spiel negativ zu bewerten, kann in solchen Momenten die volle Fokussierung auf den nächsten Schlag helfen. Man sollte gar nicht lange über den letzten Fehlschlag grübeln, sich ärgern oder herumanalysieren, was die Ursachen waren. Besser ist es, vorwärtszuschauen und in die Konzentration zu gehen: „Der nächste Schlag verdient meine volle Aufmerksamkeit“ – dieser Gedanke holt uns in den Moment und kann von Stress und Verärgerung ablenken. Versenken wir uns in die aktuelle Situation und unsere Probeschwünge für den nächsten Schlag, bleibt gar kein Raum für negative Gedanken.
GEDANKE 5
„Ich nutze diese Situation als Herausforderung/zum Üben.“
Balllagen am Hang, nasser Boden oder fieses Rough. Über alle diese Dinge kann man sich gehörig aufregen – oder man betreibt Reframing und akzeptiert diese Situationen als das, was sie sind: Ganz normale Dinge, die zum Golfsport und seine Vielseitigkeit dazu gehören. Normalisieren statt Dramatisieren, lautet hier die Losung. Helfen kann der Gedanke: „Das ist zwar nicht optimal – aber ich nutze diese Situation als Herausforderung!“ Das Gleiche gilt auch für Schläge in den Bunker. Viele denken da „Auch das noch!“ oder „Das war ja klar, ich habe so ein Pech!“ Gedanken, die nur zu Stress und schlechter Laune führen. Besser ist es, auch den Bunker als Herausforderung oder sogar als gute Übungssituation anzusehen – denn wie oft trainieren wir schon im Bunker? „Das ist eine gute Gelegenheit, um meinen Bunkerschlag zu üben!“ – So kann ein positives Reframing und die „Normalisierung“ einer vormals negativ bewerteten Situation klingen.
GEDANKE 6
„Wenn das nicht klappt, versuche ich etwas anderes.“
Wenn wir uns darüber ärgern, nicht gut auf dem Platz voranzukommen, empfinden viele Stress. Doch was uns eigentlich frustet, ist das Gefühl der Alternativlosigkeit: „Das klappt alles nicht – was soll ich jetzt machen?“ sind dann Gedanken, die aufkommen können und die Spielfreude ersticken. In solchen Augenblicken hilft es, im Denken und Handeln flexibel zu sein. Das kann so aussehen, dass man mal ganz bewusst auf einen anderen Schläger zurückgreift. Hier sind jene Spieler im Vorteil, die fleißig üben und ihr Repertoire an Schlägern und Techniken breit aufgestellt haben. Doch vor allem ist es eine mentale Frage, ob man auf dem Platz locker und flexibel agieren kann. Kann ich zum Beispiel vom Driver ablassen, wenn die Abschläge mit ihm heute mal nicht gelingen – oder halte ich verbissen an ihm fest? „Ich kann auch mit dem Hybrid abschlagen“ oder „Ich nehme jetzt das kürzere Eisen und mache dafür einen Schlag mehr“ – solche Gedanken senken den Stress, weil sie zeigen, dass man Alternativen hat, wenn eine Sache gerade nicht funktioniert. Außerdem befreit man sich so von der Verbissenheit, unbedingt immer die „maximale Weite“ erreichen zu wollen. Die Wahl eines Schlägers, der zwar weniger Länge, aber dafür eine sichere Lage auf dem Fairway einbringt, kann damit die emotional und mental klügere Wahl für das eigene Golfspiel sein.
Autorin: Sabine Biskup, Freie Redakteurin
www.sabinebiskup.com